Kinoerfahrungen

So ein Lichtspielhaus ist schon etwas Schönes. Man bewegt seinen altehrwürdigen Körper hinein, bezahlt, platziert das eigene Gesäß auf dem zugewiesenen Platz und genießt den gewünschten Film. Gerade diese werden allerdings oft genug erst auf Englisch produziert und dann mit einer deutschen Tonspur versehen. Ist dann noch das ein oder andere Lied Inhalt des Films, geht diese Eindeutschung leider recht schnell recht flott schief – oder hört sich zumindest in den Ohren aller englischaffinen Zuschauer schrecklich bis grauenvoll an. Grund genug also, Filme in der Originalsprache zu sehen. Das galt auch für einen der meisterwarteten Kinofilme des Jahres, den Hobbit.

Eine Hürde allerdings: Keines der lokalen Kinohäuser bietet den oben genannten Film in der Originalsprache an. Ein pfiffiger Kopf fragte deshalb einfach mal im Freundes- und Bekanntenkreis herum, wer denn Interesse an einer privaten Vorstellung hätte. Und siehe da: Es dauerte nicht lange, schon fanden sich um die vierzig Personen zu einer (zugegebenerweise) nicht ganz so optimalen Uhrzeit, es war 15 Uhr, an einem der beiden kleineren Kinos der Stadt ein.
Einige Minuten später und um dreizehn Euro leichter öffneten sich die Tore des Kinosaals, jeder suchte sich einen ihm passenden Platz (freie Platzwahl, sowas soll es noch geben!) und wenig später öffnete sich auch schon der Vorhang. Die 3D-Brille erst einmal aufgesetzt, lauschten die Ohren den Melodien und Jingles der verschiedenen Produzenten, Studios und Geldgebern. Richtig gelesen: Die Ohren lauschten. Von sehen konnte nicht so wirklich die Rede sein. Da vorne gab’s nämlich noch nix zu sehen. Ein zu meiner rechten platzierter Kumpel, der sich den zuvor genannten Kinofilm wohl schon zum dritten Mal, erstmals in Englisch, ansah, gab ein andächtiges „So’n Dreck, da fehlt das Bild!“ von sich. Die zuvor erheiterte Stimmung aufgrund der fehlenden Werbung legte sich spätestens, als das Goldwyn-Meier-Löwengebrülle zu hören, aber nicht zu sehen war – der Löwe blieb seinen Auftritt nämlich schuldig. Kurze Zeit später, welch Überraschung: Ein Bild. Sogar dreidimensional. Voll real und true und so. Doch die von der perspektivischen Darstellung sichtlich beeindruckte (tut mir leid, kleiner Wortwitz) Freude wehrte nur kurz – denn das Bild verabschiedete sich kurz darauf schon wieder.

Das Spielchen ging ein paar Mal so weiter, bis schließlich die ersten Reihen einen Neustart des Films lautstark einforderten. Im Übrigen völlig zu Recht, denn eine der besten Szenen des Films war zwar musisch schön dargestellt worden, aber vom Bild fehlte – bis auf wenige Ausschnitte – jede Spur. Nachdem sich vom Kinopersonal niemand regte (man munkelt, Kinos seien recht gut schallisoliert) machte sich schließlich eine gute Seele auf die unerwartete Reise (das bot sich an, tschuldigung) zum Kinopersonal, um das Anliegen der Gruppe freundlich mitzuteilen. Bekanntlich kommt Freundlichkeit weiter, deshalb startete der Film kurz darauf auch erneut. Wirklich viel mehr gab es auch dieses Mal nicht zu sehen – und so wurde kurzerhand der Computer des Kinos neu gestartet –eine (fast) idiotensichere Lösung für alle Probleme, noch vor RTFM (read the fucking manual).
Allerdings war das Glück uns auch weiterhin nicht hold. Auch nach dem Neustart blieb das Problem bestehen. Während der Film noch ein paar Mal neugestartet wurde und die Anfangsmelodie inklusive Dialog langsam aber sicher etwas auf die Nerven ging, begannen die werten Zuschauer, eh, Zuhörer im Saal damit, schlechte Witze durch die Gegend zu schreien. Angefangen bei „der Hörbuchvariante“ über den „Extended Trailer“ bis hin zur „Sparwut der Kinos“ war alles dabei, die irgendwann auftretenden und aus dem Fernsehen bekannten Stör- und Testbilder machten es nicht besser. Die seien nämlich „so 3D, das ist ja unglaublich!“. Irgendwann wandte sich die Technik völlig gegen uns – denn die wenigen Bildausschnitte, die wir bis dahin „genießen“ durften, entschieden sich dazu, nicht mehr in den richtigen Phasen abgespielt werden zu wollen. Wer sich mit der Technik nicht auskennt: Es gibt verschiedene Arten, um dreidimensionale Bilder im Kino zu produzieren. Anfangs war das die rot-cyan-Technik (Brillen mit unterschiedlichen Gläserfarben), heute gibt es unter anderem die Möglichkeit, Bilder mit einer bestimmten Frequenz auf das eine Glas und mit einer anderen Frequenz auf das andere zu übertragen. Funktioniert das nicht mehr, zittert das Bild nicht nur freudig vor sich hin, sondern verursacht auch Kopfweh. Das wiederholte sich glücklicherweise nicht mehr, die gewohnte Prozedur (Vorhang zu, Licht an, Licht aus, Vorhang auf, Viel Ton, wenig Bild, Vorhang zu) ging dennoch weiter vonstatten.

Eine gute Stunde nachdem sich der Vorhang das erste Mal öffnete wurde es schließlich auch dem Kinopersonal zu doof; die Kino-Hotline von Dolby wurde zur Rate gezogen. Zwischenzeitlich diskutierten wir im Saal schon einmal darüber, ob und wenn ja welcher Film sich denn als Alternative anböte. Vom Kino kam das „Leben des Pi“ als Vorschlag, aber irgendwie konnte sich damit niemand so richtig anfreunden. Stattdessen machte „Django“ die Runde, hier hätten nur wenige Personen das Kino verlassen.

Gute 15 Minuten später kam dann die fast schon erwartete Mitteilung, dass der Hobbit auf Englisch seine Reise heute nicht mehr antreten wird. Irgendwas mit dem DRM (Digital Rights Management) würde nicht funktionieren, wie auch immer. Unser zuvor eigenselektiertes Alphamännchen redete unterdessen erneut mit dem Kinopersonal und schlug „Django“ vor – und wer hätte es erwartet, der Vorschlag wurde angenommen. Wer sich den Film nicht ansehen wolle, solle zur Kinokasse gehen – dort erhalte man das Geld und die Kaution für die 3D-Brille zurück. Alle anderen mögen sich doch bitte in Kino 2 begeben.
Gesagt, getan. Nachdem sich alle auf ihren Plätzen eingefunden hatten, dauerte es nicht mehr lange, bis sich schließlich der Vorhang öffnete. Und siehe da: Nicht nur die Ohren konnten die musikalische Untermalung wahrnehmen, endlich gab es auch etwas für die Augen zu sehen. Aber so ganz wollte man noch nicht an die außergewöhnliche und glückserfüllte Lebenslage des erfolgreichen Kinobesuchs glauben. Und das mit gutem Grund: Denn als statt verstaubter Wüstenlandschaft einige pinke Flamingos durch das Bild stapften und wenig später der Schriftzug „Leben des Pi“ erschien, machte sich der Kinosaal geschlossen auf den Weg in Richtung Eingang. Das Kinopersonal hätte sich versprochen, wir würden selbstverständlich unser Geld zurück erhalten. Gute eineinhalb Stunden und zig Anfänge des Hobbits später ging es dann auch wieder nach Hause – eineinhalb Stunden Unterhaltung, ohne dafür einen Cent ausgeben zu müssen. Immerhin etwas.

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